Kurzbericht zur 11. Interdisziplinären Fachtagung „.medien ..konsum …kultur“ am 4.12.2015 in der BLM
Größtmögliche Selbstbestimmung im Medienhandeln von Kindern und Jugendlichen, maximale Transparenz von Werbe- und Konsumprozessen sowie umfassende politische Bildung zur Erlangung von Autonomie gegenüber den Interessen Dritter – diese Forderungen gingen von der 11. Interdisziplinären Fachtagung des JFF – Institut für Medienpädagogik an Politik und Unternehmen. Die Veranstaltung fand am 4. Dezember in der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) statt.
Inwieweit sind Kinder und Jugendliche in der Lage, im Medienhandeln Verknüpfungen zwischen kulturellen und wirtschaftlichen Interessen zu erkennen? Nehmen sie Problemlagen wahr, die von einer expandierenden Kultur des Konsums ausgehen? Wo liegen Potenziale für ein widerständiges Handeln und eigenständige Kinder- und Jugendkulturen? – Fragen wie diese standen im Mittelpunkt der Vorträge und der Podiumsdiskussion.
BLM- Präsident Siegfried Schneider betonte in seinem Grußwort die Bedeutung des Themas, da Kinder und Jugendliche eine sehr attraktive und auch kaufkräftige Zielgruppe für kommerzielle Anbieter darstellten: „Es erfährt seit einiger Zeit durch Smartphone, Tablet und PC eine völlig neue Bedeutung und bringt dadurch neue Herausforderungen für die Medienpädagogik mit sich.“
Prof. Dr. Bernd Schorb, Vorsitzender des JFF, verwies in seinem einführenden Referat darauf, dass spätestens mit dem Zeitalter des „Internets der Dinge“ eine Auflösung der Grenzen zwischen kulturellem Handeln in und durch Medien sowie einer umfassenden Konsumkultur vollzogen worden sei. Konsumentinnen und Konsumenten – also auch Kinder und Jugendliche – befeuerten diesen Kreislauf letztlich selbst, indem sie Bedürfnisse und Vorlieben bedenkenlos preisgeben würden. Durch die Sammlung von personenbezogenen Daten und deren aggregierte Auswertung werde es der Industrie ermöglicht, weiterreichende Bedürfnisse zu stimulieren. Ein solcher Kreislauf werde schließlich zum Marktplatz für Identitäten, der durch das Medienhandeln der Teilnehmenden sich selbst am Leben erhalte.
Prof. Dr. Jörn Lamla von der Universität Kassel betonte in seinem Vortrag zum Leben im „kulturellen Kapitalismus“ den Zusammenhang zwischen Kultur und Konsum. Demnach werde insbesondere Online-Kommunikation als Lebensform postuliert. Verbraucherinnen und Verbraucher würden dazu gebracht, viele ihrer Lebensäußerungen und kulturellen Handlungen im Internet zu hinterlassen. Gleichzeitig würden sie durch automatisierte Algorithmen in ihren Entscheidungen bestätigt oder zum weiteren Veröffentlichen von Daten ermutigt. Am Ende entstünde so ein selbstreferentielles System, das kaum Raum für eigene Entscheidungen lasse.
Dass Produkte selbst Kommunikation bedeuten, erläuterte Prof. Dr. Wolfgang Ullrich. Inzwischen sei ein Zustand erreicht, in dem Produkte die Menschen nicht nur beeindrucken können, sondern auch bestimmte Handlungsmuster oder emotionale Zustände forcieren. Konsumprodukte wirkten deshalb heute so, wie Massenmedien dies bereits länger tun: Sie geben Orientierung, vermitteln Werte, die erstrebenswert sind und zu Handlungs- oder Einstellungsänderungen führen. An dieser Stelle sei deshalb die Medienpädagogik gefragt, die die Wirkmechanismen von Marken und Produkten transparent machen müsse.
An diese Schlussfolgerung knüpfte Prof. Dr. Kirsten Schlegel-Matthies von der Universität Paderborn an. Wenn Kinder und Jugendliche zunehmend in der Rolle von Verbraucherinnen und Verbrauchern die Konsumplätze im Internet nutzen würden, müsse auch dort eine Verbraucherbildung stattfinden. Das Ziel dieser Bildung sollte sein, reflektiertes Konsumhandeln zu ermöglichen – auch für Erwachsene. Dabei sei zu beachten, dass es zwar auch um die individuelle Stärkung von Kindern und Jugendlichen auf ihrem Weg durch die Konsumwelt gehe – wichtiger sei jedoch, das Thema Verbraucherbildung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu sehen und die Verantwortung nicht den Individuen alleine zu übertragen.
In der abschließenden Podiumsdiskussion unterstrichen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, dass es kontraproduktiv sei, angesichts von lückenloser Datenspeicherung, Überwachung oder Manipulation zu resignieren und diese gesellschaftliche Entwicklungen kritiklos hinzunehmen. Es bleibe die erste Aufgabe aller pädagogisch Tätigen – insbesondere der Medienpädagogik – Transparenz im Dreiecksverhältnis zwischen Medien, Konsum und Kultur herzustellen. Kinder, Jugendliche, Eltern und Lehrkräfte müssten sich jederzeit darüber im Klaren sein, welche Wirkungen sie mit ihrem Medien- und Konsumhandeln auslösen. Die Flut erfasster Daten und deren Verknüpfung für wirtschaftliche oder politische Interessen seien schon sehr weit fortgeschritten und nicht mehr rückholbar. Es falle auch der Pädagogik schwer, in diesem Prozess mitzuhalten.
Das gemeinsame Fazit: Kulturelles Handeln in und mit Medien benötige einen Handlungsrahmen mit klaren Regeln, vor allem wenn damit wirtschaftliche Interessen einhergehen. Spätestens an dieser Stelle werde deutlich, dass dieser Rahmen durch politische Bildung gezogen werden muss.
Die 11. Interdisziplinäre Tagung wurde vom Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend gefördert und ist eine Veranstaltung des JFF – Institut für Medienpädagogik und der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM).
Die Video-Dokumentationen der Vorträge werden in Kürze in diesem Blog zur Verfügung gestellt.