Jörn Lamla „Digitales Leben im kulturellen Kapitalismus – vier Theorieperspektiven“

Im kulturellen Kapitalismus (Rifkin) wachsen Ökonomie und Lebensform immer enger zusammen. Das digitale Leben ist hierfür paradigmatisch, und die junge Generation der „Digital Natives“ ist von dieser Entwicklung besonders betroffen. Um die Verbraucher spinnt sich ein dichtes Netz aus Daten, Interpretationen, Peer-Beziehungen, Repräsentationen, Regulierungen und Überwachungen. Wohin diese Entwicklung führt und welche Folgen sie für das Aufwachsen von Bürgerinnen und Bürgern mit sich bringt, wird zu einer Schlüsselfrage für die Zukunft der Demokratie.

Mittels soziologischer Theorie können idealtypisch vier Hypothesen zur Strukturierung des digitalen Lebens im kulturellen Kapitalismus unterschieden werden:

– Handelt es sich um einen umfassenden Integrationsprozess, an dessen Ende sich die Individuen in den „Nudges“ der mediatisierten Konsumgesellschaft aufgehoben sehen wie in einer Filter-Bubble, da sie Diskrepanzen kaum noch erfahren (Homologiethese)?

– Oder ist eine digitale Macht im Spiel, die abweichende Artikulationen in diesem Raum aktiv unterdrückt und nur an der ökonomischen Wertschöpfung des Kulturellen interessiert ist (Fragmentierungsthese)?

– Welche Rolle spielt die Form der Medien als technische Mittler, wenn es um die Differenzerhaltung zwischen der kulturellen bzw. ökonomischen Logik im digitalen Leben geht (Kopplungshypothese)?

– Und in welchem Maße sind die jungen Konsumbürgerinnen und -bürger in der Lage, Bedingungen digitaler Autonomie eigenständig oder über Stellvertreter zu erkämpfen (Aushandlungsthese)?

Für die Medienpädagogik ist entscheidend, welche der genannten Tendenzen im kulturellen Kapitalismus die Oberhand hat oder gewinnt und was daraus für ihre eigenen Eingriffe ins digitale Leben folgt.

 

IdT15_Lamla  Jörn Lamla ist Professor für Soziologische Theorie an der Universität Kassel. Nach dem Studium der Fächer Sozialkunde (Politikwissenschaft), Mathematik, Erziehungswissenschaft und Psychologie in Marburg hat er in Jena zur Sozialpolitik der Grünen promoviert. Anschließend war er Assistent im Bereich Allgemeine Soziologie in Gießen und hat dort u.a. am Zentrum für Medien und Interaktivität ein DFG-Projekt zu den „Konsumpraktiken in der virtuellen Alltagsökonomie“ durchgeführt. Seine an der Friedrich-Schiller-Universität Jena eingereichte Habilitationsschrift zur „Verbraucherdemokratie. Politische Soziologie der Konsumgesellschaft“ ist 2013 im Suhrkamp-Verlag erschienen. Im SoSe 2015 war Jörn Lamla als Visiting Professor am Centre for Ethics der University of Toronto tätig. Darüber hinaus war er von 2011 bis 2014 Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat für Verbraucherpolitik des BMELV und ist aktuell Mitglied im Koordinierungsgremium des Netzwerks Verbraucherforschung des BMJV.

Weitere Informationen zu Jörn Lamla finden Sie unter: http://www.uni-kassel.de/fb05/fachgruppen/soziologie/soziologische-theorie/team/prof-dr-joern-lamla.html

(Videodokumentation: https://videoonline.edu.lmu.de/de/node/7449)

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